Der Mann mit dem Feuermal

Nach dem großen Sterben – Teil 29

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Der Mann mit dem Feuermal

Der Mann mit dem Feuermal

Reinhard Baer

Jetzt hing ich also an dieser Bretterwand unter einem Vordach. Die schmerzhafte große Platzwunde mussten sie mir beigebracht haben als sie mich im Schlaf überraschten. Ich schaute erneut auf das Lagerfeuer und versuchte das verschwommene Bild zu fokussieren. Dann erstarrte ich, denn endlich begriff ich den Zusammenhang. Einer der drei Männer am Lagerfeuer war der Mann mit dem Feuermal!
Ich bewegte den schmerzenden Kopf nach links und versuchte die Fesselung zu betrachten, was auch halbwegs gelang. Aber was ich sah machte mich mutlos. Aus der würde ich mich nicht befreien können, wenn rechts die gleiche wäre. Ich schaute nach rechts. Ja, die gleiche Verschnürung. Houston …, ich hatte ein Problem!
Erst jetzt entdeckte ich, dass rechts von mir ein Mann, komplett in einen schwarzen aber jetzt blutverschmierten Overall gekleidet, in genau der gleichen misslichen Lage hing, wie ich. Er schien heftiger misshandelt worden zu sein als ich. Man hatte ihm anscheinend mehrfach heftig in das Gesicht geschlagen und nun hing er, offenbar bewusstlos, ganz still da.

Am Feuer wurden sie auf mich aufmerksam. Die drei standen auf und kamen näher. Der Feuermal-Mann ergriff das Wort: „Oh, Arschloch, du bist wach? Ich hörte, du suchst nach mir? Warum?“
Erkannte er mich nicht wieder? Ich war verwirrt. Offenbar erkannt er mich nicht. Das war vielleicht eine winzige Chance für mich Zeit zu gewinnen. Ich würde es ihm jedenfalls nicht auf die Nase binden.
„Einfach so, weil du ein Arschloch bist, aber das weist du ja selbst.“
Er schlug mir mit voller Wucht in die Magengrube und ich krümmte mich vor Schmerz.
„Ich werde Dir dein großes Maul schon stopfen, und später wirst du um Gnade winseln, nur um es mir erzählen zu dürfen.“
Er schlug ein zweites Mal zu und um mich herum wurde es erneut dunkel.

„Sssstt, … sssst ... bist du wach?“
Ich wurde von einer leisen Stimme wach und drehte den Kopf in Richtung der Stimme nach rechts. Mein Mitgefangener.
„Halte durch, wir haben eine echte Chance hier rauszukommen.“
„Wie denn, bist du Houdini?“
Mein Nachbar schaute mich nur blöde an, verstand die Anspielung auf den Entfesselungskünstler offenbar nicht.
Ich setzte erneut an: „Und … warum haben wir eine Chance?“
„Ich bin nicht allein. Man wird mich suchen. Wir haben noch nie jemand zurückgelassen.“
„Wir?“
„Meine Bruderschaft.“
„Hoffen wir es! Warum bist Du hier?“
„Als Kundschafter bin ich hier. Die Gang, zu der der hässliche Kerl gehört, hat einen Benzinkonvoi aufgemischt und sich hier mit sechs gestohlenen Tanklastern verkrochen. Und wir wollen das Diebesgut zurückholen.“
Ich war verwirrt. Er klang nicht wie ein Dieb, der Diebe bestehlen wollte.
Einer der Männer am Feuer wurde misstrauisch und schaute herüber. Ich schloss die Augen und gab mich lieber bewusstlos. Ich verspürte keine Lust auf erneute Fragenstunden mit Herrn Feuermal.
Der andere verstand und gab ebenfalls vor weggetreten zu sein. Unbeweglich, den Kopf nach unten gesenkt, murmelte er: „Und was machst Du hier?“
„Lange Geschichte … ich jage den Typ mit dem Feuermal.“
„Hast ihn ja jetzt gefunden, …“ kam es lakonisch von meinem Nebenmann. „Warum? Regierungsauftrag?“
Regierungsauftrag? Ich war völlig verwirrt. „Wa ... wa ... was für eine Regierung?“
„Na, die, für die die Bruderschaft auch ab und an arbeitet. Die Regierung der ‚New USA‘. In einigen Ostküstenstaaten ist die alte Ordnung schon ziemlich wieder hergestellt. Derzeit gehören Washington (DC), Virginia, Maryland, Delaware und New Jersey dazu. Ich weiß, alles zusammen ein Fliegenschiss auf der Karte der alten USA, aber ein Anfang. Vielleicht wird auch bald die gesicherte Zone in Kalifornien beitreten.“
„Also, … wenn Du nicht im Regierungsauftrag Menschen jagst, warum dann?“
„Ist ne lange Geschichte. … Die Kurzform: Er hat meine Frau auf dem Gewissen und dafür wird er bezahlen.“
„Das tut mir leid.“
„Liegt schon Jahre zurück, aber ich hatte erst anderes zu tun. – Warum glaubst Du kommen wir hier raus und wo sind wir überhaupt?“
„Weil sie uns bald gefunden haben werden und wir sind in einer ehemaligen Sand- und Kiesgrube südöstlich Childress bei Kirkland. Da haben sie es nicht weit.“
„Wer ... wer hat es nicht weit?“
„Na die Bruderschaft. Wir operieren von unserem Headquarter aus und das steht augenblicklich in Quanah/Texas, keine 20 Meilen von hier.“
„Wieso steht euer Hauptquartier augenblicklich dort, kann es fliegen?“
„Nein“, der Mann lachte auf, „aber fahren. Wir operieren von einem Zug aus.“
„Wie? … So ein Personenzug?“
„Nein, das ist viel mehr, du wirst schon sehen.“
Alles sehr mysteriös. Was ihn so sicher machte, dass wir aus der Nummer rauskämen verriet er mir auch nicht.

Eine Weile später, die Männer glaubten uns bewusstlos, ‚weckten‘ sie meinen Mitgefangenen mit einem Eimer Wasser.
„Also nochmal“, hier führte nicht der Feuermal-Mann das Wort, „wo sind die anderen? Wie viele kommen noch? Wo ist euer Stützpunkt?“
„So viele Fragen! … Und nur eine Antwort: Fickt Euch!“ Das trug dem armen Kerl erneut einen gewaltigen Fausthieb in sein ohnehin völlig zerschundenes stoppelbärtiges blutverkrustetes Gesicht ein.
„Mal sehen, wie lange du das noch sagst. In zwei Stunden komme ich mit einer Zange wieder. Mal sehen wie viele Finger ich dir abkneifen muss, bist du sprichst.“

Auch ich bekam erneut Besuch. Vom Feuermal-Mann persönlich. „Also, warum suchst du mich?“
„Fick Dich, du hässlicher Gnom!“ ‚Rick‘ sprach ich im Gedanken zu mir, ‚Rick, Rick, … warum musst du immer noch einen draufsetzen?‘
Der Feuermal-Mann quittierte diese Frechheit ebenfalls mit einem gewaltigen Faustschlag. Und der ging diesmal nicht in den Magen. Auch er schlug mich ins Gesicht. Ich spürte etwas aufplatzen und das Blut lief mir über das Gesicht.
„Ist es dir jetzt eingefallen?“
„Das Krankenhaus schickt mich, wo du geboren wurdest. Ich soll dir sagen, dass aus Versehen du, die Nachgeburt, großgezogen wurde. Den Säugling haben sie aus Versehen wegge …“ ich kam nicht dazu den Satz zu vollenden, weil seine Faust erneut mitten in meinem Gesicht landete. Hoffentlich hielten die Zähne!

Die Kavallerie kommt

Er wollte gerade erneut ausholen als ich ein leises ‚Plop‘ hörte. Unverkennbar ein Schalldämpfer. Erstaunt drehte sich mein Peiniger um und sah gerade noch einen seiner Spießgesellen wie einen gefällten Baum in den Staub fallen. Plötzlich wimmelte es auf dem Gelände von zielstrebig vorgehenden militärisch wirkenden Gestalten in schwarzen Overalls. Der zweite Mann und der Feuermal-Mal Mann hoben die Hände und ließen sich auf die Knie sinken.
„Habt ihr die Wachen weggefegt?“ fragte mein Mitgefangener als ihm die Fesseln gelöst wurden.
„Jupp, sechs Figuren rund ums Lager und noch ein fünfköpfiges Außenkommando. Die beiden Arschgeigen hier sind die einzigen die noch Puls haben. – Was ist mit dem?“ Er zeigte auf mich.
„Losmachen, der geht klar.“
„Und die beiden Benzindiebe?“
„Liquidieren.“ Anscheinend war der Mann der so manchen Schlag eingesteckt hatte, einer der Anführer.
Der hinzugekommene schwarzgekleidete hob seine Waffe und spannte den Hahn.
„Halt, bitte“, wand ich ein.
Beide Männer der Bruderschaft schauten mich erstaunt an. „Willst du, dass er verschont wird?“
„Ganz bestimmt nicht, … lasst mich.“ Ich schaute sie flehend an.
„Ok“, der vom Befreiungskommando wollte mir seine Parabellum geben. Ja, er hatte tatsächlich eine „08“ in der Hand, eine Pistole der Deutschen Wehrmacht. Kult in den Kreisen der Waffennarren.
Er sah mich aufrichtig staunen und grinste: „Hat mein Opa aus den Ardennen mitgebracht, mein Markenzeichen.“
„Danke, die brauche ich nicht.“ Ich trat den vor mir knienden in den Bauch. Er schlug nach hinten und lag vor mir im Staub.
Ich kam über ihn und schlug im heftig in seine hässliche Visage. Er wehrte sich nicht einmal richtig.
„Wehr dich. … Ich sage dir, warum ich dich gesucht habe.“
Wieder bezog er Prügel, hob abwehrend die Hände vor das Gesicht.
„Kannst Du dich noch an das Farmhaus östlich Strasburg/Colorado erinnern? Wo ein paar deiner Kumpel ihre dreckigen Schwänze ausgepackt haben um sich an meiner Frau zu vergehen?“
Endlich begriff er. Hatte er vielleicht bei der Gefangennahme auf ein bisschen Glück oder Gnade gehofft, stand ihm jetzt die nackte Angst in den Augen.“
Er beantworte meine Frage nicht, aber ich konnte deutlich sehen, dass er jetzt den Zusammenhang erkannte. Und er sah seine Zukunft. No mercy …
„Vier von euch Arschgeigen habe ich damals zu dem gemacht, was ihr längst hättet sein sollen: Donalds. Aber meine Frau ist dabei auch drauf gegangen. Und du Missgeburt, Sohn einer räudigen Hure, Abschaum vom Abschaum, bist mir damals entkommen. Darum – mein Freund, darum werde ich dich jetzt töteten. Aber nicht mit dieser wunderbaren ‚08‘ sondern langsam mit meinen eigenen Händen … damit du mehr davon hast.“
Auf ihm sitzend, legte ich meine Hände um seinen Hals. Endlich begann er sich ernsthaft zu wehren, aber es war zu spät! Aus meiner militärischen Spezialausbildung wusste ich, wie und wo ich drücken musste. Schon bald verließ ihn die Kraft und seine Abwehrbewegungen wurden belanglos. Er lief blau an im Gesicht, bis ihm der Sabber lief und seine geschwollene Zunge aus dem Mund hing. Ich bemerkte es warm werden an meinem Hintern. Sauerei! Die Ratte hatte sich im Todeskampf eingepisst.
Ich stand auf und sagte zu den beiden erstaunten Männern in Schwarz: „Glaubt mir, dass hatte er wirklich verdient.“

Im Hintergrund knallte es. Der letzte der Gangster fiel nach einem sauberen Kopfschuss in den Staub. Ich ließ mir ein Messer geben um es dem Feuermal-Mann in die Schläfe zu stechen. Ich fand, er sollte nicht als besonders hässlicher Donald irgendwelche Leute erschrecken.

Mein ehemaliger Mitgefangener gab seinem Mann Anweisungen. Dann streckte er mir die Hand hin: „Hab mich noch gar nicht vorgestellt – Bruce.“
Ich schüttelte seine Hand. „Rick. – Um was ging es hier eigentlich?“
„Zeitweise sind wir für die neue Regierung unterwegs, haben dann quasi Aufgaben wie Bundes-Marshalls, aber als Freelancer hatten wir hier einen anderen Auftraggeber: ‚New Texaco‘. Sie können es sich nicht bieten lassen, wenn ihre Treibstoff-Konvoys überfallen werden. Und die Schweinebande hier hatte tatsächlich eine komplette Konvoibegleitung getötet, 18 Mann, und dann sechs Tanklastzüge gestohlen.
Unser Auftrag war höchst übersichtlich: ‚Track down and destroy. Aufspüren und vernichten!‘
War ziemlich einfach, wenn man davon absieht, dass ich als Vorauskundschafter ein wenig Pech hatte.“
Er grinste mich schief an mit seinem vermatschten Gesicht.

„Und warum warst du sicher, dass deine Brüder dich finden? Bruderschaft bedeutet nicht, dass es keine Frauen gibt. Schau …“ Er zeigte zu einer Hütte auf der anderen Seite der Kiesgrube die gerade von zwei Frauen durchsucht wurde, „aber um deine Frage zu beantworten: Wir haben alle einen Peilsender am Körper versteckt und können jederzeit gefunden werden. Komm, ich zeige Dir mal die Tanklaster“.

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